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Geschichte

Rumantsch / Rätoromanisch

Die vierte Landessprache der Schweiz

Rumantsch (Rätoromanisch) ist die vierte Landessprache der Schweiz. Das Sprachgebiet erstreckt sich auf fünf Täler im Kanton Graubünden (Südostschweiz) und wird entsprechend in fünf regionalen Dialekten gesprochen. Rumantsch hat sich wie Italiensich, Französisch und Spanisch aus dem Lateinischen entwickelt. Zwischen den fünf romanisch-sprachigen Tälern und innerhalb dieser Täler liegen seit einer Einwanderungswelle im Spätmittelalter deutschsprachige Dörfer.

Die fünf rätoromanischen Dialekte

  • Vallader im Unterengandin (Engiadina bassa, Region Scuol)
  • Puter im Oberengadin (Engiadina ota, Region St. Moritz - Pontresina)
  • Surmerian in Zentralbünden (Tiefencastel - Savognin)
  • Sutselvan im Hinterrheintal (Rein posteriur, Region Thusis), fast ausgestorben
  • Surselvan im Vorderrheintal (Rein anteriur, Region Disentis/Mustér - Sedrun), die grösste Gruppe

Ungefähr die Hälfte der Rumantsch Sprechenden leben nicht im rätoromanischen Sprachgebiet, sondern in den Ballungsgebieten des deutschsprachigen «Unterlandes». Insofern ist Zürich die grösste rätoromanische Stadt geworden, allerdings ohne dass dort Rumantsch im Alltag eine andere Rolle spielt als irgendeine andere Sprache von Immigranten.

Obwohl Rumantsch im Kanton Graubünden die älteste Amtssprache ist wurde es auf Bundesebene erst 1938 als Landessprache anerkannt. Die plötzliche Anerkennung hatte auch weniger innenpolitische als vielmehr aussenpolitische Gründe: Die Schweiz wollte gegenüber Nazi-Deutschland und dem faschistischen Italien Eigenständigkeit demonstrieren und den Bestrebungen der Faschisten nach Anschluss aller deutsch- bzw. italiensichsprachigen Gebiete (Motto: «heim ins Reich») eine klare Absage erteilen. Die exotische vierte Landessprache war in diesem Kontext der «Geistigen Landesverteidigung» ein willkommenes Symbol, um zu signalisieren, dass die Schweiz mehr ist als die Summe von abgespaltenen Randregionen von Deutschland, Frankreich und Italien.

In der Praxis sieht es aus Kostengründen dann etwas anders aus: Während heute praktisch alle amtlichen Dokumente auf Bundesebene in Deutsch, Französisch und Italienisch erhältlich sind, wird nur ein kleiner Anteil davon auch ins Rätoromanische übersetzt.

Sobald Personen mit rätoromanischer Muttersprache ihre Region verlassen müssen sie sich in einer anderen Sprache verständigen können. Im regionalen Kontext (mit deutschsprachigen Dörfen in unmittelbarer Nachbarschaft) und angesichts der Tatsache, dass Deutsch mit 75% die wichtigste Landessprache der Schweiz fällt die Wahl damit natürlicherweise auf Schweizerdeutsch. Praktisch alle Personen, die Rumantsch als Muttersprache angeben sind perfekt zweisprachig und sprechen auch Schweizerdeutsch (Bündner Dialekt) und Schriftdeutsch so gut oder schlecht wie die Deutschschweizer.

Bis gegen Ende des 20. Jahrhunderts gab es zwar eine rätoromanische Literatur aber keine Schriftsprache. Wenn Rumantsch geschrieben wurde, dann immer in einem der fünf regionalen Dialekte. Dies stellte eine zusätzliche Hürde für Übersetzungen ins Rumantsche dar. Als klar wurde, dass Rumantsch eine vom Aussterben bedrohte Sprache ist, definierte deshalb die Lia Rumantscha 1982 eine Standardschreibweise, die als Rumantsch Grischun bezeichnet wird.

Die Rumantsch sprechende Minderheit bemüht sich um die Erhaltung ihrer Sprache im modernen Alltag und hat Erstaunliches erreicht - so gibt es z.B. seit 2005 die Bedienoberfläche von Microsoft Windows in Rumantsch und auch google.ch bietet die (ohnehin spartanisch gehaltene) Bedienoberfläche in Rumantsch an.

Mehr Zahlen und Fakten zur Situation der rätoromanischen Sprache bietet die Webseite der Lia Rumantscha:




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